Fachinformation

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Mestinon® / Mestinon retard®

MEDA Pharmaceuticals Switzerland GmbH

Zusammensetzung

Wirkstoffe

Pyridostigminbromid.

Hilfsstoffe

Tabletten:

Maydis amylum, lactosum monohydricum 30 mg, magnesii stearas, amylum pregelificatum, silica colloidales anhydrica, talcum.

Dragées:

Kern: Maydis amylum, magnesii stearas, amylum pregelificatum, povidonum K30, silica colloidales anhydrica, talcum.

Filmüberzug: Acaciae gummi, ferrum oxidum flavum, ferrum oxidum rubrum (E172), paraffinum perliquidum, paraffinum solidum, oryzae amylum, saccharum 161,57 mg, talcum.

Retardtabletten:

Cera carnauba, silica colloidales anhydrica, magnesii stearas, tricalcii phosphas, zeinum.

Darreichungsform und Wirkstoffmenge pro Einheit

1 Tablette enthält 10 mg Pyridostigminbromid.

1 Dragée enthält 60 mg Pyridostigminbromid.

1 Retardtablette enthält 180 mg Pyridostigminbromid.

Indikationen/Anwendungsmöglichkeiten

Tabletten, Dragées: Darmatonie, atonische Obstipation, Myasthenia gravis.

Retardtabletten: Myasthenia gravis.

Dosierung/Anwendung

Erwachsene

Darmatonie, atonische Obstipation

Tabletten, Dragées: 1 Dragée in zweckmässigen Intervallen, z.B. alle 4 Stunden.

Zentrale und periphere Paresen (versuchsweise)

Tabletten, Dragées: 1-6 Dragées tgl., je nach Schwere des Falles.

Myasthenia gravis

Tabletten, Dragées: 1-3 Dragées 2-4× tgl., eventuell höhere Dosen.

Retardtabletten: Zweimal täglich 1 bis 3 Retardtabletten.

Spezielle Dosierungsanweisungen

Tabletten, Dragées: Bei der Behandlung ist zu beachten, dass sich die volle Wirkung allmählich einstellt, in der Regel innerhalb 15-30 Minuten.

Ältere Patienten

Keine speziellen Dosierungsanweisungen.

Patienten mit Lebererkrankungen

Keine speziellen Dosierungsanweisungen.

Patienten mit Nierenerkrankungen

Pyridostigmin wird grösstenteils unverändert über die Nieren ausgeschieden. Bei Patienten mit Nierenerkrankungen, die mit einer Einschränkung der renalen Clearance einhergehen, können deshalb tiefere Dosen angezeigt sein. Die Dosis soll stets der Wirkung angepasst werden.

Pädiatrie

Die 10 mg Tablette ist für die Anwendung in der Pädiatrie nicht geeignet. Die altersgerechte Dosisstärke sollte individuell unter GMP Bedingungen (z.B. in einer Spitalapotheke) hergestellt werden.

Bei Verwendung in der Pädiatrie muss die erforderliche Dosierung sorgfältig austitriert werden.

Bei neonataler Myasthenie wird meistens eine Behandlung mit Neostigmin (Prostigmin®) bevorzugt. Wenn dieses jedoch zum Beispiel wegen zu starker cholinerger Nebenwirkungen ungeeignet erscheint, kann Mestinon verabreicht werden. In diesen Fällen können als Richtwert alle 4-6 Stunden 5 mg per os in Form der entsprechend aufbereiteten Tabletten, jeweils 30-60 Minuten vor der Nahrungsaufnahme, empfohlen werden. Die Dosis sollte graduell reduziert werden, bis das Arzneimittel abgesetzt werden kann.

Eine Behandlung über die achte Lebenswoche hinaus ist nur in den seltenen Fällen von kongenitaler und familiärer infantiler Myasthenie erforderlich.

Myasthenia gravis

Tabletten, Dragées: Bei Myasthenia gravis hält die Wirkung einer Dosis tagsüber etwa 4 Stunden an, während in der Nacht, bei geringerer körperlicher Betätigung, eine längere, etwa 6 Stunden anhaltende Wirkungsdauer erwartet werden kann.

Es empfiehlt sich, die Verabreichungszeiten so zu wählen, dass der maximale Effekt mit der stärksten körperlichen Beanspruchung, z.B. beim Aufstehen und bei den Mahlzeiten, zusammenfällt.

Retardtabletten: Grundsätzlich ist die Dosierung und die Häufigkeit der täglichen Einnahme abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und dem Ansprechen des Patienten auf die Behandlung. Die oben genannten Dosierungsempfehlungen können deshalb nur als Orientierung dienen und bedürfen der Anpassung an den Bedarf jedes einzelnen Patienten.

Die oben genannten Mengen können unterschritten - oder in Einzelfällen überschritten werden.

Die Retardtabletten sollten mit reichlich Flüssigkeit (vorzugsweise mit einem halben bis einem Glas Wasser) eingenommen werden. Die Bruchkerbe dient nur zum Teilen der Tablette für ein erleichtertes Schlucken und nicht zum Aufteilen in gleiche Dosen. In kleinere Einheiten sollte die Retardtablette nicht zerkleinert werden, da sonst die verzögerte Wirkstoffabgabe in Frage gestellt wird.

Bei der Umstellung von Mestinon Dragées mit 60 mg Wirkstoff auf Mestinon Retardtabletten ist zu bedenken, dass Mestinon retard nicht stärker, sondern nur länger wirkt (6 bis 8 Stunden, gelegentlich auch länger, statt 2 bis 4 Stunden).

Die Zahl der jeweils als Einzeldosis eingenommenen Dragées resp. Tabletten bleibt gleich, nur werden die Retardtabletten innerhalb von 24 Stunden seltener eingenommen, so dass die tägliche Anzahl der Tabletten reduziert wird und die Gesamtdosis gleich bleibt. (Beispiel: Ein Patient, der bisher 6-mal täglich 3 Dragées Mestinon zu 60 mg Wirkstoff (= 6 x 3 x 60 mg = 1080 mg pro Tag) eingenommen hat, erhält nun zweimal täglich 3 Retardtabletten Mestinon retard (= 2 x 3 x 180 mg = 1080 mg pro Tag). Meist ist es anschliessend erforderlich, die Dosierung von Mestinon retard auf den aktuellen Bedarf einzustellen, bei schweren Erkrankungen unter Zuhilfenahme entsprechender Testverfahren. Unter Umständen ist es ratsam, die Einstellung unter stationären Bedingungen durchzuführen. Durch Infektionen oder andere belastende Faktoren kann die jeweils erforderliche Dosis von Mestinon retard Schwankungen unterworfen sein. Der behandelnde Arzt sollte dann sofort zu Rate gezogen werden.

Zur Überbrückung eines für die Retardtablette zu kurz dauernden Einnahmeintervalls und bei einem kurzzeitigen Spitzenbedarf ist die Kombination mit den Mestinon Dragées zu 60 mg Wirkstoff möglich. (Beispiel: Ein Patient benötigt für eine ungestörte Nachtruhe die letzte Tagesdosis um 22.00 Uhr. Die während der Wachzeit am Tage (8.00 – 22.00 Uhr) eingenommenen Retardtabletten von Mestinon retard wirken jedoch nur bis 18.00 Uhr. Die Zwischenzeit von 18.00 bis 22.00 Uhr wird mit Mestinon Dragées 60 mg überbrückt.)

Wegen der Ähnlichkeit der klinischen Symptome bei Unwirksamkeit des Präparates (myasthenische Krise) oder bei Überdosierung (cholinerge Krise) ist nach höherer Dosierung beim Auftreten entsprechender Symptome die Abklärung mit einem geeigneten Testverfahren (z.B. mit Edrophoniumchlorid) unter Beachtung der erforderlichen Vorsichtsmassnahmen erforderlich.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Inhaltsstoffe gemäss Zusammensetzung.

Bei Vorliegen mechanischer Verschlüsse der Verdauungs- oder Harnwege.

Mestinon/Mestinon retard soll nicht in Verbindung mit depolarisierenden Muskelrelaxantien wie Suxamethonium verabreicht werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen

Sehr grosse Vorsicht ist geboten, wenn Mestinon/Mestinon retard an Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen wie Asthma bronchiale oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) verabreicht wird.

Vorsicht ist auch geboten bei Herzrhythmusstörungen wie Bradykardie und atroventrikulärem Block (ältere Patienten können eher zu Rhythmusstörungen neigen als junge Erwachsene); Dekompensierter Herzinsuffizienz; Kürzlicher koronarer Okklusion; Hypotonie; Vagotonie; Nierenerkrankungen; Ulcus ventriculi; Magen-Darm-Operationen; Epilepsie oder Parkinsonismus; Hyperthyreodismus; Diabetes mellitus.

Wenn von Myasthenia gravis-Patienten relativ hohe Dosen eingenommen werden, kann die Gabe von Atropin oder anderen Anticholinergika notwendig sein, um den muskarinischen Wirkungen entgegenzuwirken.

Differentialdiagnostisch muss bei allen Patienten die Möglichkeit einer «cholinergen Krise» aufgrund einer Pyridostigminbromid-Überdosierung von einer «myasthenen Krise» aufgrund einer Verschlimmerung der Krankheit unterschieden werden. Beide Arten von Krisen äussern sich in einer verstärkten Muskelschwäche. Während aber bei der myasthenen Krise die Anticholinesterase-Behandlung zu verstärken ist, muss bei der cholinergen Krise die Behandlung sofort abgebrochen und geeignete unterstützende Massnahmen, einschliesslich einer Unterstützung der Atmung, eingeleitet werden.

Mestinon/Mestinon retard wird hauptsächlich unverändert über die Nieren ausgeschieden. Mestinon/Mestinon retard sollte deshalb bei Niereninsuffizienz mit Vorsicht angewendet werden. Für Patienten mit Nierenerkrankungen können daher niedrigere Dosierungen erforderlich sein. Die benötigte Dosis sollte nach Wirkung individuell bestimmt werden.

Mestinon/Mestinon retard ist mit Vorsicht anzuwenden, wenn Suxamethoniumchlorid in hoher Überdosierung vorliegt, da es dann anstatt zur gewünschten Aufhebung der neuromuskulären Blockade zu einer Verstärkung kommen kann.

Der Bedarf an Mestinon/Mestinon retard kann nach einer Thymektomie verringert sein.

Mestinon Tabletten

Patienten mit der seltenen hereditären Galactose-Intoleranz, völligem Lactase-Mangel oder Glucose-Galactose-Malabsorption sollten dieses Arzneimittel nicht einnehmen.

Mestinon Dragées

Patienten mit der seltenen hereditären Fructose-/Galactose-Intoleranz, einer Glucose-Galactose-Malabsorption oder einer Sucrase-Isomaltase-Insuffizienz sollten dieses Arzneimittel nicht einnehmen.

Interaktionen

Pharmakokinetische Interaktionen

Arzneimittel mit immunosuppressiver Wirkung

Die benötigte Dosis von Mestinon/Mestinon retard kann bei gleichzeitiger Gabe von Arzneimitteln wie Steroiden oder Immunsuppressiva vermindert sein. Gleichwohl kann eine neue Gabe von Steroiden die Symptome der Myasthenia gravis zunächst verstärken.

Methylcellulose

Methylcellulose verhindert die Absorption von Pyridostigminbromid. Die gleichzeitige Verabreichung von Arzneimitteln, die Methylcellulose als Hilfsstoff enthalten, sollte daher vermieden werden.

Arzneimittel mit antimuskarinischer Wirkung

Atropin und Scopolamin wirken der muscarinischen Wirkung von Pyridostigminbromid entgegen. Es sollte beachtet werden, dass die durch diese Arzneimittel verursachte, verminderte gastrointestinale Motilität die Absorption von Pyridostigminbromid verlangsamen kann.

Pharmakodynamische Interaktionen

Muskelrelaxantien

Pyridostigminbromid antagonisiert die Wirkung nichtdepolarisierender Muskelrelaxantien vom Curaretypus (z.B. Pancuronium und Vecuronium). Pyridostigminbromid kann die Wirkung des depolarisierenden Muskelrelaxans Suxamethonium verlängern (s.a. «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»).

Andere Interaktionen

Aminoglycosid-Antibiotika, lokale und einige systemische Anästhetika, Antiarrhythmika und andere Arzneimittel, welche die neuromuskuläre Übertragung beeinflussen, können mit Pyridostigminbromid interagieren.

Schwangerschaft, Stillzeit

Schwangerschaft

Die Sicherheit von Pyridostigminbromid während der Schwangerschaft und der Stillzeit wurde nicht untersucht.

Obwohl das potentielle Risiko für Mutter und Kind in jedem Fall gegen den potentiellen Nutzen abgewogen werden muss, zeigen die bisherigen Erfahrungen bei Verabreichung von Pyridostigminbromid an schwangere Patientinnen mit Myasthenia gravis keine negativen Auswirkungen des Arzneimittels auf den Verlauf der Schwangerschaft.

Da während der Schwangerschaft der Schweregrad von Myasthenia gravis oft erheblich schwanken kann, ist besondere Vorsicht geboten, um cholinerge Krisen aufgrund einer Überdosierung zu vermeiden.

Pyridostigmin passiert die Plazentabarriere. Zu hohe Dosierungen von Pyridostigmin während der Schwangerschaft sollten vermieden und das Neugeborene auf mögliche Nebenwirkungen untersucht werden.

In tierexperimentellen Studien zur Entwicklungstoxizität an Ratten und Kaninchen zeigte Pyridostigminbromid nach oraler Gabe keine teratogenen Wirkungen. Hingegen kam es im maternal toxischen Dosisbereich zu einer erhöhten Resorptionsrate und zu Ossifikationsverzögerungen bei den Föten. In einer Peri-/Postnatalstudie an der Ratte war die Gewichtszunahme bei den Nachkommen behandelter Mütter erniedrigt (siehe auch «Präklinische Daten»).

Intravenöse Anwendung von Pyridostigminbromid kann Uteruskontraktionen auslösen (insbesondere bei Anwendung gegen Ende der Schwangerschaft). Ob die Gefahr der Auslösung vorzeitiger Wehen auch bei oraler Anwendung besteht, ist nicht bekannt.

Das Arzneimittel soll in der Schwangerschaft nach gründlicher Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nur unter strenger Indikationsstellung, sorgfältiger Dosierung und ärztlicher Überwachung angewendet werden.

Stillzeit

Es gibt nur ungenügende Informationen darüber, ob Pyridostigminpromid Auswirkungen auf Neugeborene/Kinder hat. Beobachtungen weisen darauf hin, dass nur vernachlässigbare Mengen von Pyridostigminbromid in die Muttermilch übergehen. Ist eine Behandlung erforderlich, sollte der Säugling auf mögliche Wirkungen überwacht werden oder abgestillt werden.

Fertilität

Präklinische Untersuchungen an Ratten haben keine negativen Auswirkungen auf das Fortpflanzungsverhalten gezeigt.

Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit und auf das Bedienen von Maschinen

Es wurden keine entsprechenden Studien durchgeführt.

Im Zusammenhang mit einer nicht ausreichenden Kompensation der Grundkrankheit oder parasympathikotonen Effekten bei relativer Überdosierung von Mestinon/Mestinon retard (Miosis, Akkomodationsstörungen) kann die Sehschärfe und damit die Reaktionsfähigkeit sowie das Bedienen von Maschinen bzw. die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt sein.

Unerwünschte Wirkungen

Wie alle cholinergen Arzneimittel kann Mestinon/Mestinon retard entsprechende unerwünschte funktionelle Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem haben.

Muskarinartige Nebenwirkungen können sich in Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Bauchkrämpfen, gesteigerter Peristaltik und Bronchialsekretion, Speichel- und Tränenfluss sowie in Bradykardie und Miosis äussern. Nikotinartige Nebenwirkungen bestehen hauptsächlich in Muskelkrämpfen, Muskelzuckungen und Muskelschwäche.

Innerhalb des Organsystems sind die unerwünschten Wirkungen nach folgenden Häufigkeitskategorien aufgelistet:

«Sehr häufig» (≥1/10), «häufig» (≥1/100, <1/10), «gelegentlich» (≥1/1000, <1/100), «selten» (≥1/10'000, <1/1000), «sehr selten» (<1/10'000), «Häufigkeit unbekannt» (kann aus den vorliegenden Daten nicht abgeschätzt werden).

Die folgenden unerwünschten Wirkungen wurden beobachtet. Ihre Häufigkeit ist allerdings nicht bekannt.

Erkrankungen des Immunsystems

Häufigkeit unbekannt: Arzneimittelüberempfindlichkeit.

Psychiatrische Störungen

Häufigkeit unbekannt: Bei Vorliegen hirnorganischer Veränderungen können unter Behandlung mit Mestinon/Mestinon retard psychopathologische Symptome bis hin zur Psychose auftreten bzw. vorbestehende Symptome verstärkt werden.

Erkrankungen des Nervensystems

Häufigkeit unbekannt: Synkope.

Augenerkrankungen

Häufigkeit unbekannt: Miosis, erhöhter Tränenfluss, Akkomodationsstörungen (z.B. verschwommene Sicht).

Herzerkrankungen

Häufigkeit unbekannt: Arrhythmie (inklusive Bradykardie, Tachykardie, AV-Block), Prinzmetal-Angina.

Gefässerkrankungen

Häufigkeit unbekannt: Flush, Hypotonie (s. «Überdosierung»).

Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums

Häufigkeit unbekannt: Verstärkte Bronchialsekretion in Kombination mit Bronchobstruktion.

Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts

Häufigkeit unbekannt: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Bauchbeschwerden (z.B. Schmerzen, Krämpfe usw.), gesteigerte Peristaltik, vermehrter Speichelfluss.

Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes

Selten: Ausschlag.

Häufigkeit unbekannt: Hyperhydrosis, Urticaria.

Wie andere bromhaltige Arzneimittel kann Mestinon/Mestinon retard in seltenen Fällen zu Exanthemen führen, die in der Regel nach Absetzen rasch verschwinden. Die weitere Anwendung von Mestinon/Mestinon retard oder anderen bromhaltigen Präparaten ist dann kontraindiziert.

Skelettmuskulatur-, Bindegewebs- und Knochenerkrankungen

Häufigkeit unbekannt: Erhöhte Muskelschwäche, Muskelzuckungen, Tremor und Muskelkrämpfe oder verminderter Muskeltonus.

Erkrankungen der Nieren und Harnwege

Häufigkeit unbekannt: Verstärkter Harndrang.

Da die Symptome Zeichen einer cholinergen Krise sein können, sollte der behandelnde Arzt unverzüglich zu Rate gezogen werden, damit die Ursache der Erscheinungen abgeklärt werden kann (s. «Überdosierung»).

Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von grosser Wichtigkeit. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdacht einer neuen oder schwerwiegenden Nebenwirkung über das Online-Portal ElViS (Electronic Vigilance System) anzuzeigen. Informationen dazu finden Sie unter www.swissmedic.ch.

Überdosierung

Pyridostigmin kann zu einer cholinergen Krise führen. Die Anzeichen einer Überdosierung aufgrund muskarinischer Wirkungen können Bauchkrämpfe, gesteigerte Peristaltik, Durchfall, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, verstärkte Bronchialsekretion, Bronchospasmus, Speichelfluss, Hyperhydrose und Miosis sein.

Nikotinartige Nebenwirkungen äussern sich als Muskelkrämpfe, Muskelzuckungen und allgemeine Schwäche bis zu Paralyse, welche in besonders schweren Fällen zu Apnoe und zerebrale Anoxie führen kann. Hypotonie bis zum kardiovaskulären Kollaps, Bradyarrhythmie bis zum Herzstillstand können ebenfalls auftreten.

Zentralnervöse Wirkungen können Erregung, Verwirrung, verwaschene Sprache, Nervosität, Irritation und visuelle Halluzinationen einschliessen. Krämpfe und Koma können auftreten.

Gegenmassnahmen bestehen im sofortigen Absetzen von Mestinon/Mestinon retard oder anderen Cholinergika. Bei schwerer Atemdepression ist eine künstliche Beatmung einzuleiten. Als spezifisches Antidot werden 1-2 mg Atropinsulfat langsam intravenös gegeben. Nach Bedarf ist diese Dosis in Abständen von 5 bis 30 Minuten zu wiederholen.

Eigenschaften/Wirkungen

ATC-Code

N07AA02

Wirkungsmechanismus

Pyridostigmin, der Wirkstoff von Mestinon/Mestinon retard, ist ein Cholinesterasehemmer, der sich durch schonenden Eintritt, gleichmässigen Verlauf, verhältnismässig lange Dauer und allmähliches Abklingen seiner cholinergen Wirkung auszeichnet.

Pyridostigmin wirkt nur gegen nichtdepolarisierende Muskelrelaxantien antagonistisch; zu den depolarisierenden verhält es sich synergistisch.

Pharmakodynamik

Keine Angaben.

Klinische Wirksamkeit

Keine Angaben.

Pharmakokinetik

Absorption

Perorales Pyridostigminbromid wird schlecht absorbiert (etwa zu 22-25%). Die Geschwindigkeit und das Ausmass der Absorption zeigen weitgestreute individuelle Unterschiede.

Nach Verabreichung oraler Tagesdosen von 120 mg, 120-370 mg, und 180-1440 mg an gesunde Probanden, betrug die orale Bioverfügbarkeit von Pyridostigminbromid jeweils ca. 7,6%, 18,9% und 3-4%, bei einem Cmax von 40-80 µg/L, 20-100 µg/L und 180 µg/L und einem tmax von 3-4 h, 1,5-6 h und 1,5 h. Diese niedrige und sehr variable Bioverfügbarkeit zwischen den Studien ist auf die niedrige Absorptionsrate von Pyridostigmin zurückzuführen. Bei Patienten mit Myasthenia gravis kann die orale Bioverfügbarkeit auf 3,3% sinken.

Distribution

Spitzenkonzentrationen im Plasma werden in nüchternem Zustand etwa 1½-2 Stunden nach Einnahme von 120 mg Pyridostigmin erreicht. Bei Einnahme mit der Nahrung verzögert sich der Wirkstoffanstieg.

Das Verteilungsvolumen liegt im Mittel bei 1,4 l·kg -1 Körpergewicht nach intravenöser Verabreichung.

Pyridostigmin wird nicht nennenswert an Plasmaproteine gebunden und passiert die Blut-Hirn-Schranke nicht.

Zur Erzielung des erwünschten therapeutischen Effekts bei Myasthenia gravis sind im Blutplasma Konzentrationen von 20-60 ng·ml -1 erforderlich.

Es hat sich herausgestellt, dass die Konzentration von Pyridostigmin in der Muttermilch 36-113% gegenüber dem mütterlichen Plasmalevel beträgt, was eine geringe Dosis für den Säugling bedeutet (etwa 0,1% der Dosis pro Kilogramm Körpergewicht von der Mutter ausgehend).

Metabolismus

Pyridostigmin wird nur in geringem Masse metabolisiert. Es wird durch Plasma Cholinesterasen hydrolysiert. Der Hauptmetabolit von Pyridostigmin ist das Hydrolyseprodukt 3-Hydroxy-N-methyl-pyridin.

Elimination

Für die Eliminationshalbwertszeit werden mittlere Werte um 1,5 Stunden angegeben; in einzelnen Fällen kann sie jedoch bis auf etwa das Dreifache verlängert sein. Als mittlere Plasmaclearance bei Gesunden werden Werte von 0,36-0,65 l·kg-1·h-1 angegeben. Über die Möglichkeit der Kumulation von unverändertem Pyridostigmin oder aktiven Metaboliten liegen keine gesicherten Angaben vor. Da die Dosierung ohnehin individuell angepasst werden muss, kommt dieser Frage keine praktische Bedeutung zu. Pyridostigmin wird grösstenteils (75-81%) unverändert über die Nieren ausgeschieden. Ein Teil (18-21%) erscheint als Metabolit 3-Hydroxy-N-Methylpyridin im Urin. Nichtidentifizierte weitere Metaboliten machen 1-4% aus.

Hinweis zu Mestinon retard

In der Mestinon Retardtablette ist der Wirkstoff in einer unlöslichen Tablettenmatrix eingelagert, um die verzögerte Wirkstoffabgabe zu erreichen. Die unverdauliche Matrix erscheint im Stuhl, was nicht dahin missverstanden werden darf, dass der Wirkstoff unvollständig resorbiert worden sei.

Kinetik spezieller Patientengruppen

Gestörte Leberfunktion hat keinen relevanten Einfluss auf die Kinetik von Pyridostigmin. Bei alters- oder krankheitsbedingter Niereninsuffizienz kann die Eliminationshalbwertszeit bis auf etwa das Vierfache ansteigen, und die Plasmaclearance kann bis auf etwa einen Fünftel absinken.

Präklinische Daten

Die subkutane Injektion von Pyridostigminbromid in toxischen Dosierungen bei Ratten führte unter anderem zu Speichelfluss, Zuckungen, Tremor und Atemschwierigkeiten. Bei p.o. Gabe toxischer Dosierungen starben die Ratten an akutem Lungenversagen. Schädigungen der neuromuskulären Synapsen des Zwerchfells waren histologisch nachweisbar. Die längerfristige orale Gabe an Ratten führte zur Hemmung der Plasma-Cholinesterase und der Erythrocyten-Acetylcholinesterase.

Nach dreimonatiger Behandlung mit ≥15 mg/kg wurde bei Ratten eine Hemmung der Acetylcholinesterase in den Erythrozyten begleitet von Tremor notiert. Bei 60 mg/kg betrug die Mortalität 10% der behandelten Tiere. In dieser Gruppe wurden auch klinisch-chemische Veränderungen festgestellt. Behandlungsbedingte hämatologische, post-mortem oder histopathologische Befunde traten in keiner Dosisgruppe auf.

Standard In-vitro- und In-vivo-Tests zur genetischen Toxikologie ergaben keine Hinweise bezüglich eines klinisch relevanten genotoxischen Potentials von Pyridostigminbromid.

Präklinische Studien zur Kanzerogenität von Pyridostigminbromid wurden nicht durchgeführt.

Tierexperimentelle Studien zur Reproduktionstoxizität von Pyridostigminbromid wurden an der Ratte nach oraler Gabe ausgeführt. Es zeigten sich keine Effekte auf die männliche und weibliche Fertilität. Bei hohen Dosen wurden Post-Implantations-Verluste, möglicherweise verursacht durch die cholinerge Stimulation der Muttertiere, festgestellt. In Untersuchungen zur Entwicklungstoxizität kam es nach oraler Verabreichung im maternal toxischen Dosisbereich bei Ratten und Kaninchen zu einer erhöhten Resorptionsrate und bei Ratten zu Ossifikationsverzögerungen bei den Föten. In einer Peri-/Postnatalstudie bei Ratten war die Gewichtszunahme bei den Nachkommen behandelter Mütter erniedrigt.

Sonstige Hinweise

Inkompatibilitäten

Keine Angaben.

Beeinflussung diagnostischer Methoden

Keine Angaben.

Haltbarkeit

Das Arzneimittel darf nur bis zu dem auf der Packung mit «EXP» bezeichneten Datum verwendet werden.

Haltbarkeit nach Anbruch

Tabletten: Nach Anbruch 6 Monate haltbar.

Besondere Lagerungshinweise

In der verschlossenen Originalpackung bei Raumtemperatur (15-25°C) lagern.

Arzneimittel für Kinder unzugänglich aufbewahren.

Hinweise für die Handhabung

Keine Angaben.

Zulassungsnummer

Tabletten: 19945 (Swissmedic).

Dragées: 19943 (Swissmedic).

Retardtabletten: 56387 (Swissmedic).

Packungen

Tabletten zu 10 mg: 250 [B]

Dragées zu 60 mg: 150 [B]

Retardtabletten zu 180 mg: 100 [B]

Zulassungsinhaberin

MEDA Pharmaceuticals Switzerland GmbH, 8602 Wangen-Brüttisellen.

Stand der Information

Juni 2020.

Version 102 D